Genuss, Interview

Meine Fragen an Nils Henkel

Zu Gast bei Nils Henkel

An einem wunderschönen Sommertag 2017, präsentiere ich in meinem Genuss-Blog den Spitzenkoch Nils Henkel, Küchenchef im Gourmet-Restaurant Schwarzenstein im Rheingau bei Geisenheim, vom Magazin FEINSCHMECKER zum Koch des Jahres 2017 gewählt, unter den „50 Best Chefs Germany“ und aktuell bei CHEF-SACHE unter den Ersten. (Update 2019: Mittlerweile mit einem 2. Michelin-Stern ausgezeichnet).

Guten Tag, Nils Henkel, schön, dass Sie sich die Zeit für ein paar Fragen genommen haben!

Ursprünglich sind Sie von der Küste ganz im Norden, dann lange Jahre Station in NRW und jetzt seit Jahresbeginn im Rheingau. Wie gefällt es Ihnen denn hier so mitten in den Weinbergen mit Blick auf den Rhein?

Sehr gut! Das ist hier eine wirklich schöne Region. Vor allem durch die Weinaffinität und die vielen Winzer ist es eine Gegend mit einer hohen Lebensqualität.

Interessieren Sie sich für bestimmte regionale Zutaten? Vielleicht die hessische Spezialität Handkäs‘?

Ja, der Handkäse wurde bereits bei unseren Snacks aufgenommen. Aktuell haben wir als Kleinigkeit vorweg auch das Leiterchen (gepökeltes Rippchen vom Schwein) mit Spitzkohlsalat und Sauerkraut-Vinaigrette im Programm, mit dem wir Bezug auf Frankfurter Tradition bzw. Hessen nehmen.

Wir sind immer offen für regionale Zutaten und ich schaue mich immer wieder nach regionalen Erzeugern um. Da sind wir zwar noch am Anfang mit unseren Kontakten, aber es kommt immer wieder etwas dazu.

Regionale Produkte sind für mich eine wichtige Basis, aber meine Küche ist dennoch geprägt von einer gewissen Weltläufigkeit. Ich brauche nicht unbedingt Fisch vom anderen Ende der Welt, aber ich arbeite sehr gerne mit den Aromen und Gewürzen der Welt.

 Spitzenkoch Nils Henkel, Restaurant Schwarzenstein

 

Sie fühlen sich dem Aspekt der Nachhaltigkeit verpflichtet und bieten auch seit Jahren ein rein vegetarisches Menü an, was mir sehr gut gefällt. Doch es stellt sich mir die Frage, wie man da die Kurve kriegt, nicht als Öko abgestempelt zu werden?

Das Thema Nachhaltigkeit ist mir wichtig. Zum einen, hat Massentierhaltung ein Niveau erreicht, das einfach krank ist. Wenn wir alle weniger Fleisch essen würden, dann könnten wir uns auch alle gutes Fleisch aus nachhaltiger Landwirtschaft leisten.

Die Leute sagen immer, das nachhaltig produzierte Produkte sehr teuer sei. Doch man muss ja auch nicht jeden Tag Fleisch essen und dafür öfters vegetarisch essen. Das wäre zudem gesünder und besser für die Gesellschaft.

Es gab auch von Gastseite immer wieder die Nachfrage nach einem fleischlosen Menü. Da hat es mich gestört, dass wir kein stringentes Menü hatten, wo die einzelnen Gerichte zueinander passten und aufeinander abgestimmt waren, es gab keinen roten Faden. Naja, und ich habe einfach auch großen Spaß am Kochen mit Gemüse.

Zu Anfang war es schwierig, die gewünschten Zutaten zu erhalten, aber das hat sich inzwischen eingependelt. Mittlerweile haben wir viele alte Gemüsesorten im Programm, die man aber auch nicht überall kaufen kann. In der Regel ordern 20 bis 30% der Gäste unser Flora-Menü. Als wir im Schloss Lerbach damals das vegetarische FAZ Gourmetvision Menü mit Jürgen Dollase gemacht haben, haben manchmal mehr als 50% der Gäste das vegetarische Menü bestellt.  Das hat uns in Sachen Gemüse nochmal ein ganzes Stück nach vorne gebracht.

 

Spitzenkoch Nils Henkel

 

Ihr Sommelier bietet auf Wunsch auch anti-alkoholische Getränke an. Wie kam es dazu?

Auch hier geht es mir gar nicht in erster Linie um die Gesundheit. Hintergrund war die Schwangerschaft meiner Frau und wir merkten damals, wie schade es ist, komplett auf die Weinbegleitung zu verzichten. Es macht sehr viel Spaß, wenn man ein Getränk hat, welches mit dem Gericht wetteifert und man lernt immer wieder etwas dazu. Wasser ist eben nur Wasser, das ist über den Abend gesehen einfach langweilig.

In vielen Restaurants passiert in der Hinsicht ja noch recht wenig und das finde ich eben wenig gastfreundlich. Es ist traurig, wenn ein Sommelier sich auf dem Absatz umdreht und sagt „Ich bin hier nur für den Wein zuständig.“

Bei Tanja Grandits in Basel (sie gestaltet ihre Menüs übrigens nach Farben… hach) hatten wir dann das Erlebnis, ganz spannende Getränke serviert zu bekommen und dann habe ich begonnen selbst zu experimentieren und habe mich mit meinen Sommeliers ausgetauscht, die sofort Feuer und Flamme waren. Die Sommeliers sind hier natürlich ganz wichtige Vermittler, denn die sind am Gast.

 

Klasse! Obwohl ich Weinliebhaber bin geht es mir auch so, dass es mir über den Abend oft zu viel wird und mir die Alternative Wasser als Getränk dann aber zu langweilig ist.

Natürlich, nach 8 Gängen und 8 Gläsern Wein ist man ja auch irgendwann am Limit. Und das Schöne ist, man kann es ja auch kombinieren und hier und da den Wein durch eine alkoholfreie Begleitung ersetzen.

 

Menü Flora mit Haferwurzel von Spitzenkoch Nils Henkel

 

Dessert bei Spitzenkoch Nils Henkel im Restaurant Schwarzenstein

 

Woher kommt die Inspiration für neue Gerichte und ein neues Menü?

Viele meiner Ideen sind abhängig von Saison und Jahreszeit und davon, welche Produkte verfügbar sind. Das ist der wichtigste Impuls. Ich lasse ich mich auch gerne in Restaurants inspirieren und sehe schon mal Neues. Das bringt mich natürlich auch auf neue Ideen.

Im Internet sieht man heutzutage vieles, was andere Kollegen machen. Doch ich mache am liebsten mein eigenes Ding und habe meinen eigenen Stil und die Ideen kommen aus mir heraus. Aber Anregungen von außen beeinflussen mich auch.

 

Apropos Internet. Wie ist Ihre Haltung zu Bloggern als Restaurant-Kritikern und dass die Gerichte fotografiert und veröffentlicht werden?

Kein Problem, solange es die anderen Gäste nicht stört und nicht dauernd ein „Klick“ zu hören ist, stört mich das gar nicht. Auch ich fotografiere hin und wieder die Teller im Restaurant, wenn mich das Essen begeistert. Unqualifizierte Bewertungen und Kommentare im Internet, das stört mich schon eher, aber wir leben in einer Zeit, in der jeder einen jeden bewertet. Ich gehe auch gern ins Restaurant zu meinen Gästen und höre im persönlichen Gespräch, wie es ihnen gefallen hat und wenn es einen Kritikpunkt gibt, beschäftigt mich das auch.

Das Lob der Gäste ist natürlich die schönste Motivation, die ich auch gerne an mein Küchenteam weitergebe.

 

Apropos Restaurantkritiker…

Die wichtigen Kritiker sind natürlich die professionellen Restaurantkritiker. Aber auch Blogger haben heutzutage ein gewisses Gewicht, auch wenn dahinter kein professioneller Restaurantkritiker steckt. Ich schaue mir auch den einen oder anderen Foodblog regelmäßig an und die Blogs werden heutzutage viel gelesen. Andererseits gibt es im Internet so viel, da darf man dann auch nicht alles so ernst nehmen.

  

Und wer kocht denn eigentlich zuhause?

Meine Frau kümmert sich um die Familie und bekocht deshalb auch die Familie. Aber wenn ich zuhause bin und Zeit habe, übernehme ich gern den Herd. Zum ausgedehnten Familien-Frühstück gibt es dann Leckereien wie Blaubeer-Pfannkuchen oder ein Rührei. Ansonsten essen wir gerne frische Pasta oder auch mal geschmorte Kalbsbäckchen oder grillen auf der Terrasse. Aber es sollte auch nicht zu viel Zeit am Herd sein.

 

Haben Sie ein Lieblingsgericht oder gibt es vielleicht ein Happyfood?

Ein Lieblingsgericht, das aus der Kindheit herrührt ist gekochte Ochsenbrust mit Meerrettich und Rote Beete. Das ist für mich Soulfood. Aber genauso liebe ich eine spicy Chicken Soup mit frischem Gemüse, Chilly und Koriander. Großartig! Das wärmt von innen, besonders in der kalten Jahreszeit.

 

Haben Sie ein kulinarisches Guilty Pleasure? Vielleicht ja eine der beliebten Fast-Food-Ketten?

Nein, tatsächlich nicht. Denn was es in diesen Läden so gibt, schmeckt mir einfach nicht besonders. Klar, wenn man mit der Familie an der Autobahnraststätte Halt macht und die Kinder Hunger haben, dann kommt das mal vor. Ansonsten steht das nicht auf meinem Speiseplan.

Nichts gegen einen guten selbstgemachten Burger oder eine gute Currywurst – das ist einfach etwas Anderes, wenn die Zutaten dann einfach schon gut sind. Wir bieten hier bei uns in der Grill & Wine Bar ja auch Burger an.

 

Grill Winebar Rheingau, Spitzenkoch Nils Henkel

 

Was halten Sie von den TV-Karrieren der Kollegen? Viele Sterneköche gehen derzeit ja ins Fernsehen.

Jeder wie er mag. Für das Fernsehen muss man sicherlich auch die entsprechende Ausstrahlung haben. Es gibt Kollegen, die wirklich gut auf der Fernsehbühne sind, aber ich sehe mich da nicht und für so etwas müsste man mich schon überreden.

 

Empfinden Sie das als guten Trend, dass gutes Essen heute mehr im Fokus ist?

Naja, vielen der produzierten Shows fehlt es an Niveau, aber ich bekomme das auch nur am Rande mit, denn ich schaue sehr selten Fernsehen und im Grunde auch keine Kochsendungen.

Wenn man als Koch ins Fernsehen geht und seine Medien-Präsenz dafür nutzt, den Zuschauern ein bisschen Qualität und gute Produkte näherbringt, dann finde ich das gut und wichtig.

 

Sie arbeiten vor allem mit AllClad Töpfen, was gehört denn sonst noch zu den wichtigen Werkzeugen?

Messer sind natürlich auch sehr wichtig und da hat jeder Koch auch seine eigenen. Ich arbeite sehr gerne mit japanischen Messern. Auch wenn es mühselig ist diese immer regelmäßig zu schleifen.

Wichtig sind natürlich auch gute Schneidebretter, gute Mixer…. – Thermomix und Pacojet sind bei uns auch oft im Einsatz. Technik in der Küche ist ein großes Thema und jedes der vielen Geräte hat seine Berechtigung. Sousvide-Wasserbäder fallen mir dazu noch ein, die haben mittlerweile auch viele Hobbyköche zuhause. Man hat schon eine Anzahl von Gerätschaften und als ich freiberuflich tätig war, mussten viele Dinge in Keller ausgelagert werden, da in der Küche kein Platz mehr war.

Meine Leidenschaft ist gutes Porzellan. Da kann ich schwer an mich halten. Es ist einfach etwas anderes, wenn man ein Gericht auf einem schönen Teller serviert.

Fisch gebraten im Restaurant Schwarzenstein bei Spitzenkoch Nils Henkel

 

Menü vom Sternekoch, dem Spitzenkoch Nils Henkel

 

Das ist mir auch direkt aufgefallen, die schönen Teller und das schöne Porzellan.

Ja, das war mir auch wichtig hier im Restaurant Schwarzenstein meinen Stil mitzubringen. Das gilt natürlich für die Gerichte, aber eben auch für die Präsentation, die Teller und Schalen. Alles zusammen ergibt eine Einheit, die unsere Gäste sehr schätzen.

Ich hatte Gelegenheit, Sie im Kochkurs auch in der Küche mit dem Team zu erleben. Auffallend für mich war die hochkonzentrierte Arbeitsweise und das ruhige Miteinander. Man wird nicht laut und hektisch oder gar ruppig. Wie schafft man das?

Küchenalltag ist schon von einer gewissen Hierarchie geprägt und man muss auch schon mal sagen, wo es lang geht. Aber das geschieht in meinem Team auf Augenhöhe und mit Respekt. Das ist mir sehr wichtig. Wir arbeiten hier alle viel und eng miteinander, da muss man sich gut verstehen und darauf achten, wie man miteinander umgeht.

 

Was für einen Ausgleich haben Sie?

Schon seit vielen Jahren ist das Laufen mein Ausgleich. Nicht regelmäßig, aber immer mal wieder nehme ich mir Zeit für einen Lauf entlang des Rheins. Das ist für mich ein wichtiger Ausgleich. Ebenso meine Familie. Wenn ich frei habe und bei der Familie bin, dann bin ich auch komplett dort. Die Arbeitstasche bleibt dann auch meistens zu und das ist auch gut so.

Genau, Freizeit ist auch so wichtig. Umso mehr freue ich mich, dass Sie sich für meinen Blog Zeit genommen haben.

Vielen Dank für das ausführliche Gespräch!

Interview mit Spitzenkoch Nils Henkel